Bettina_Gilbert.JPG // Fotocredit: Jens Schulze
Vier Fragen an die Kirchenmusikdirektorin Bettina Gilbert aus dem Michaeliskloster zum Gottesdienst Zeitgleich, dem Gottesdienstformat für zu Hause
Neben anderen Mitarbeitenden aus dem Michaeliskloster war Bettina Gilbert verantwortlich für die Zusammenstellung vom Gottesdienst Zeitgleich. Entwickelt hat das Grundkonzept Elisabeth Rabe-Winnen in der Zeit des ersten Lockdowns.
Frau Gilbert, warum wurde ein Gottesdienst für zu Hause entwickelt?
Die Idee entstand in der Zeit des ersten Lockdowns, als keine Gottesdienste in Kirchen stattfinden durften. Ziel war es, anders als zum Beispiel beim Fernsehgottesdienst ein aktiveres Mitfeiern der beteiligten Familie zu Hause oder auch einer Einzelperson zu ermöglichen. Deswegen haben wir im Michaeliskloster ein Format entwickelt, bei dem Menschen, die allein sind, einfach die Texte, Gebete, Lesungen, sogar eine kleine Predigt und den Segen selbst laut sprechen können. In einem Tempo, das sie selbst wählen, bei dem sie die Lieder laut mitsingen und sich dabei durch eine MP3-Aufnahme begleiten lassen können. Wenn mehrere Personen –?zum Beispiel aus einer Familie?– dabei sind, können diese verschiedene Rollen übernehmen. Die Idee hinter dem Format ist, eine Verbundenheit über das eigene Wohnzimmer hinaus zu spüren, weil andere zur selben Zeit das Gleiche feiern. Daher auch der Titel Gottesdienst Zeitgleich.
Was muss bei der Vorbereitung für einen Gottesdienst zu Hause im Vergleich zu einem in der Kirche beachtet werden?
Für mich als Gestalterin, die einen Gottesdienst vorbereitet, ist es natürlich komplett anders, weil ich mit der Auswahl meiner Texte darauf achten muss, dass die Menschen, die den Text noch nicht kennen, trotzdem mitsprechen können. Ich arbeite häufig mit einfacher oder leichter Sprache. Es ist auch sinnvoll, digitale Gottesdienstformate kürzer zu gestalten.
Auch die Art, wie Musik verwendet wird, ist eine andere. Es macht einen Unterschied, ob ich in einem gottesdienstlichen Raum bin, in dem ich mit dem Klang, der den Raum erfüllt, arbeiten kann, oder ob ich die Musik online abspiele. Wir haben für das Format Gottesdienst Zeitgleich extra neue Begleitungen eingespielt, von denen ich denke, dass sie sich besonders gut zum Mitsingen am Küchentisch eignen. Wenn eine Solosingstimme zu hören ist, die gut in das Arrangement eingebunden ist, fällt es leichter mitzusingen. Auch Bläserklänge sind dabei eine gute Unterstützung, finde ich. Einen Orgelklang habe ich für dieses Format bewusst nicht gewählt. Erstens weil es schwierig und aufwendig ist, einen Orgelklang aufgrund des wahnsinnig großen Klangspektrums aufzunehmen. Zweitens weil die Wiedergabe von einem Laptop und einer kleinen Box oft kein befriedigendes Klangergebnis liefert.
Welche Chancen birgt der Gottesdienst zu Hause für unser Verhältnis zum Glauben?
Bei einem Gottesdienst zu Hause nehme ich meine alltägliche häusliche Umgebung auf einmal als einen spirituellen Raum wahr. Ich decke meinen Küchentisch anders: Ich zünde eine Kerze an, lege ein Kreuz auf den Tisch, vielleicht auch eine Bibel. Ich nehme mir die Zeit und die Ruhe, mich entsprechend auf den Gottesdienst vorzubereiten, und spiele dann die MP3-Aufnahme mit dem Glockengeläut ab. Jemand hat mal gesagt, das sei so, als ob etwas Heiliges in den eigenen Wohn- und Lebensraum kommt. Aus dem Livingroom wird ein Liveroom. Das ist eine von den großen Chancen, die ich in dem Format sehe. Außerdem fallen bei einem Gottesdienst in den eigenen vier Wänden die ganzen Bedenken wie die Ansteckungsgefahr im Kirchenraum, aber auch auf dem Weg dahin, die es zurzeit wegen Corona gibt, weg. Im Moment darf in der Kirche ja auch nicht gesungen werden.
Was macht Ihnen besonders viel Freude am Gottesdienst Zeitgleich?
Ich selbst habe die Möglichkeit auszuprobieren, inwiefern mein ganz normales Zuhause ein heiliger gottesdienstlicher Raum werden kann. Und es ist aufregend, dass das tatsächlich passiert. Ich finde es toll, weil ich supergern singe und ich zu Hause einfach laut mitsingen kann. Und dass es schöne Begleitaudios gibt, die beim Gottesdienst Zeitgleich eingebaut sind. Sie machen mir Lust, laut mitzusingen, was ich aktuell im Gottesdienst in der Kirche leider nicht darf. Besonders toll finde ich auch, dass die Texte in einer ansprechenden poetischen Sprache verfasst sind, die ich mir selbst beim Lesen erschließen kann, ohne dass jemand anderes sie mir vorträgt. Dass ich in meinem Tempo die Gebete sprechen darf. Dass ich das Vaterunser, was mir persönlich in der Kirche immer viel zu schnell ist, einfach mal ganz langsam sprechen darf. Ich kann den Gottesdienst meinem Bedürfnis anpassen: wann es weitergeht, wann ich meine Stille brauche, wann ich das nächste MP3-Aufnahme anklicke. Das finde ich wunderbar.
Dein Lieblingslied?
Kirchenmusikerinnen und -musiker verraten, welche Lieder sie Ostern am liebsten hören.
Bettina Gilbert, Kirchenmusikdirektorin
Ich habe viele Lieblingslieder. Jetzt in der Passionszeit klingt „Dieses Kreuz, vor dem wir stehen“ oft in mir nach. (freiTöne?140)
In diesem Lied leuchtet für mich aus der Passionszeit heraus schon Ostern am Horizont auf?– und lässt Gottes Gegenwart auch und gerade in schweren Zeiten tröstlich spüren. Die Melodie in ihrer Schlichtheit trägt mich.
„Und das Kreuz steht für die Wende, dass die Liebe stärker ist“?– ein starker Schlusssatz. Mich tröstet dieses Lied, und erweitert mir den Horizont. Die Bandversion von „Dieses Kreuz“ (Video + Audio, freiTöne Stick, Popkantor-Band) bringt das alles atmosphärisch super zum Ausdruck.
Foto: Bettina Gilbert // Fotocredit: Jens Schulze
Jochen Arnold, Direktor des Michaelisklosters
Mein liebstes Osterlied heißt „Wir stehen im Morgen“ (freiTöne?95).
Ich mag das Lied, weil es ein fröhliches Tanzlied ist und einen großartigen Hoffnungstext hat. Die Gigue oder Giga ist sozusagen die barocke Vorgängerin des Wiener Walzers.
Der Dichter steht mit uns vor dem leeren Grab. Wir staunen, dass der Stein weggebrochen ist. Ein Lichtschein des Lebens durchstrahlt die Welt und lädt ein zum Tanz. Christus selbst fordert uns dazu auf und gibt das Festgeleit. So können wir dem Tod in sein finsteres Gesicht lachen und sagen: „Du bedrohst uns nicht.“ Das finde ich stark und es lässt mich aufstehen und auf Gottes neue Welt hoffen, die schon heute anfängt.
Foto: Arnold, Jochen.jpg // Fotocredit: Jens Schulze
Foto: von Dombois, Til.jpg // Fotocredit: Jens Schulze
Til von Dombois, Popkantor
Mein Lieblingslied ist (unter ganz vielen anderen) „Only“ von RY?X.
Das unglaublich gelungene Musikvideo in Kombi mit dem Song hat mich immer wieder zugleich inspiriert und total berührt. So eine gelungene Metamorphose aus Bild und Musik habe ich selten gehört und gesehen.
Moritz Schilling, Landesposaunenwart für den Bezirk Hildesheim
Mein Lieblingslied ist „Himmel, Erde, Luft und Meer“ (EG 504).
Das Lied bringt mich in Schwung, weitet meinen Blick und meine Sinne für Natur und Augenblick, für Gottes so vielfältige Schöpfung, für Lob, Dank und Musik.
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Foto: Rolf, Hans-Joachim.jpg // Fotocredit: Jens Schulze
Hans-Joachim Rolf, Landeskirchenmusikdirektor
Mein Lieblingslied ist: „Wenn der Herr einst die Gefangnen“ nach Psalm 126 (EG 298)
Es erhebt, befreit und öffnet Räume. Auch „Jählings und übernacht” (Kurt Rose / Wolfgang Teichmann) gefällt mir sehr. Es ist eher nachdenklich, aber mit großer Perspektive.
Christian Fuchs, Landesposaunenwart für den Bezirk Osnabrück
Mein Lieblingslied ist: „Wir glauben Gott im höchsten Thron“
Es erdet mich sehr und es gibt mir Kraf
Foto: Fuchs, Christian.jpg // Fotocredit: Jens Schulze
Foto: Rübke, Lennart.jpg // Fotocredit: Jens Schulze
Lennart Rübke, Landesposaunenwart im Bezirk?Lüneburg
Mein Oster-Lieblingslied ist „Christ ist erstanden“.
Wenn ich diesen Choral höre oder spiele, berührt mich das sehr und gibt mir viel Zuversicht. Dieser Choral ist für mich Ostern.
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