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Am ersten Vollmond nach dem kalendarischen Frühlingsanfang, also nach dem 21.?März, gedenken Christinnen und Christen der Kreuzigung und Auferstehung Jesu. Dazu gehören feste Bräuche und Rituale wie das Schweigen der Glocken von Karfreitag bis zum Ostermorgen, das Entzünden der Osterkerze und natürlich auch die Suche nach dem Osternest.
Aber nicht nur die Menschen christlichen Glaubens feiern in diesem Frühjahr: Für Jüdinnen und Juden steht traditionell ungefähr zur selben Zeit wie das christliche Ostern das Fest Pessach auf der Festagenda. Es fällt, wie der Rabbiner Dr.?Gábor Lengyel aus Hannover erläutert, in den ersten Monat des jüdischen Kalenders und dauert insgesamt acht Tage. An Pessach gedenken die Menschen jüdischen Glaubens des Auszugs des Volkes Israel aus Ägypten, der im 2.?Buch Mose beschrieben wird: Weil sich der Pharao weigerte, sie ziehen zu lassen, sandte Gott den Ägypterinnen und Ägyptern zehn Plagen. Die letzte und schwerste war der Tod aller Erstgeborenen. Damit die Kinder der Israelitinnen und Israeliten verschont würden, sollten sie ein Lamm opfern und ihre Türpfosten mit dem Blut markieren. Das hebräische Wort „passach“ bedeutet so viel wie „vorüberschreiten“.
„Für mich ist Pessach ein Fest mit vielen Bedeutungen“, erklärt Rabbiner Dr.?Lengyel. „Es ist das Fest des ungesäuerten Brotes, denn an Pessach essen wir acht Tage lang Matza, ein dünnes Fladenbrot, das nur aus Wasser und Mehl gebacken wird. Dies ist das Brot des Elends, das in Eile für die Flucht gebacken wurde.“
Pessach sei aber auch das Fest des Frühlings, mit dem die Landwirte früher die neue Saison einläuteten. Außerdem ist es das Fest des Erzählens, denn die Familien würden in diesen Tagen stundenlang zusammensitzen und die alten Geschichten austauschen. Und ein Fest der jüdischen Küche. „Vor allem aber ist Pessach ein Fest der Freiheit, an dem wir unserer eigenen Flucht, aber auch der Geflüchteten aller Generationen in allen Teilen der Welt gedenken. Als solches ist es auch für die säkularisierten Jüdinnen und Juden von großer Wichtigkeit.“?
Eid al-Fitr: Hoher Feiertag für Menschen muslimischen Glaubens
Für die Muslima und Muslime gehört das Fest des Fastenbrechens (Eid al-Fitr) zu den höchsten Feiertagen, berichtet Dr.?Hamideh Mohagheghi, islamische Theologin und Religionswissenschaftlerin an der Universität Paderborn. Es markiert das Ende des Fastenmonats Ramadan, in dem sie des Beginns der Offenbarung des Koran gedenken. Der Ramadan fällt in den neunten Monat des islamischen Kalenders, der sich jedoch im Vergleich zum gregorianischen Kalender jedes Jahr um elf Tage verschiebt. In diesem Jahr beginnt er am 13.?April, also kurz nach Ostern und Pessach. „Mit diesem Fest feiern wir in Dankbarkeit das Ende des Fastenmonats und unsere Gemeinschaft“, erzählt Dr.?Mohagheghi. „Je nach Region kann das bis zu drei Tage dauern.“
Nouruz: Persisches Neujahrsfest am kalendarischen Frühlingsanfang
Die Muslime im Iran und in einigen Teilen Afghanistans feiern zudem noch ein weiteres wichtiges religiöses Fest im Frühling: Nouruz, das persische Neujahrsfest, das auf unseren kalendarischen Frühlingsanfang fällt. „Nouruz ist ein altpersisches Fest aus der Tradition des Zoroastrismus“, erklärt Dr.?Mohagheghi. „Es markiert den Neubeginn des Lebens und der Schönheit im Frühling. Nach der Übernahme des Islam haben die Perser manche ihrer alten Feste beibehalten, sodass viele iranische Menschen muslimischen Glaubens sowohl religiöse Feste als auch vorislamische religiöse Feste feiern.“
Ostern als Chance zum interreligiösen Austausch sehen
Und wie halten es Menschen muslimischen und jüdischen Glaubens in Deutschland mit dem Osterfest? „Juden feiern Ostern nicht!“, erklärt Rabbi Dr.?Lengyel. „Aus interreligiösen Ehen weiß ich jedoch, dass dort beides gefeiert wird. Für mich persönlich ist das Osterfest noch immer mit Schmerz behaftet. Bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil war in der traditionellen Karfreitagsfürbitte der Katholiken von den ‚ungläubigen Juden‘ die Rede. Diese Formulierung wurde mit dem Konzil abgeschafft, aber ausgerechnet unter dem deutschen Papst Benedikt wieder in Richtung Judenmission verschärft. Und auch bei den berühmten Passionsspielen in Oberammergau werden die Juden seit Jahrhunderten traditionell als bösartige Täter dargestellt. Das beginnt sich erst langsam zu wandeln?– unter anderem durch die Inszenierung des zu Recht mit der Buber-Rosenzweig-Medaille ausgezeichneten Regisseurs Christian Stückl.“
Die in Deutschland lebenden Menschen muslimischen Glaubens handhaben das Osterfest unterschiedlich, weiß Dr.?Mohagheghi. „Es gibt Menschen, die auch Ostern feiern, weil sie hier leben und es als Teil der hiesigen Kultur begreifen. Vor allem für die Kinder muslimischer Familien ist es schön, an den Osterbräuchen teilzuhaben.“ Die Theologin würde sich freuen, wenn die drei Religionen im kommenden Jahr gemeinsam feiern würden: „2022 beginnt der Ramadan Anfang April. Dann fallen Ostern und Pessach genau in diese Zeit?– für mich ein wunderbarer Anlass für gegenseitige Einladungen und eine Vertiefung des interreligiösen Austauschs.“
von Juliane Moghimi
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