Veronika Wintjen und Kevin Vieth haben sich getraut: Am 20.?Juni des vergangenen Jahres, also mitten in der Corona-Pandemie, haben die beiden in Oldendorf im Kreis Stade Ja zueinander gesagt. „Es fühlt sich immer noch genau richtig an, den Ring schon zu tragen und nicht ein Jahr lang gewartet zu haben“, sagt die 30-jährige Ehefrau heute. Die Hochzeit zu verschieben kam für das Paar nicht infrage.
Braut überzeugt den Kirchenvorstand
Die große Feier in der Stader Geest werden Wintjen und ihr Mann in diesem Jahr mit 150?Gästen nachholen. Standesamtlich und in einem Freiluftgottesdienst wollte die 30-Jährige ihren Kevin aber unbedingt schon im vergangenen Sommer heiraten und musste dafür beim Kirchenvorstand viel Überzeugungsarbeit leisten. Die Diplom-Bankbetriebswirtin erstellte eigens einen Outdoor-Sitzplan. Sie fertigte mithilfe von Google-Maps Aufnahmen des Kirchhofes an, um die korrekte Umsetzung der Abstandsregelungen zu illustrieren. Das Gremium blieb skeptisch. Eine Hochzeit unter Pandemiebedingungen war seinerzeit für alle Neuland. Eine Woche vor dem Termin im Standesamt am 10.?Juni war die kirchliche Trauung noch immer nicht genehmigt?– unter normalen Umständen undenkbar im langfristigen Hochzeitsgeschäft. Doch die Beharrlichkeit des Paares wurde belohnt: Schließlich gab es doch noch grünes Licht, und das Paar konnte 70?Gäste noch kurzfristig per Whatsapp zur Trauung unter freiem Himmel einladen.
Fotocredit: Matthias Schlicht
Pastor Dr.?Matthias Schlicht erlebt zurzeit, dass viele Paare ihre Hochzeit wegen der Pandemie verschieben.
Zeremonie nach Corona-Regeln
Zur Zeremonie trugen alle Masken bis zum Sitzplatz, es gab eine Anwesenheitsliste und Keyboard- statt Orgelmusik. Dafür erteilte der Pastor Gottes Segen unter einem selbst gebauten Traubogen. Wintjen ist dankbar, dass letztlich fast alles nach ihren Wünschen geklappt hat?– trotz aller Widrigkeiten aufgrund der Pandemie. Ein Fest mit viel Abstand, und dennoch nicht ohne Nähe sei es gewesen.
Wintjen und ihre engsten Angehörigen waren im März des vergangenen Jahres selbst an Covid-19 erkrankt, der Vater der Braut musste eine Nacht im Krankenhaus verbringen. „Mir selbst ging es unglaublich schlecht, mein Kopf ist förmlich explodiert. Alles tat weh, ich hatte keinen Geschmacks- und Geruchssinn. Es war sehr viel dramatischer als bei einer Grippe“, sagt die 30-Jährige. „Wir wussten, wie ernst es mit dem Virus ist.“ Für ihre Feier wollte das Paar kein Risiko eingehen. Alles sollte so sicher sein wie möglich. Und dennoch: Das Fest war dem Paar zu wichtig, als dass es den Termin verschieben wollte.
Hochzeit auf Abstand
Viele Paare entscheiden sich seit Beginn der Pandemie anders und warten mit dem Fest, welches das schönste im Leben werden soll. Absagen für geplante Trauungen sind überall gegenwärtig. „Viele fragen sich: Wie soll eine Hochzeit vonstattengehen, wenn alle eine Maske tragen? Das Gruppenbild mit Brautpaar lässt sich auch nicht so einfach knipsen. Ganz abgesehen davon, dass die Feier im Gasthaus ausfallen muss. Also: keine Hochzeiten zurzeit“, fasst Dr.?Matthias Schlicht nüchtern zusammen.
Der Pastor hat in den 30?Jahren seiner Amtszeit beinahe 300?Paare getraut. Seit dem ersten Lockdown im vergangenen März hat in seiner Gemeinde in Oldendorf/Stade nur ein einziges Paar geheiratet: unter freiem Himmel vor der Kirche mitten im Sommer. Alles musste zuvor genau geplant werden: Wer kommt, wer zählt zum selben Hausstand, wie kommt jeder und jede Einzelne auf den Kirchplatz und wieder zurück? Wo steht die Sängerin? Wie groß ist der Abstand zum Keyboarder? Wo platziert sich der Pastor? So wird Hochzeit in der Pandemie organisiert.
Am Ende bleiben Glaube, Hoffnung und Liebe
Die Arbeit vor und hinter den Kulissen war eine echte Meisterleistung. Die Küsterin musste die Stühle und Bänke auf den Kirchplatz bringen, einen Outdoor-Altar erfinden, die Erfassung der Namen musste geordnet werden, Bleistifte zum Einmalgebrauch waren zu besorgen. Und dennoch: „Die Trauung war sehr schön bei schönstem Sommerwetter“, erzählt Dr.?Matthias Schlicht und wünscht sich natürlich weitere Paare, die den coronabedingten Umständen trotzen und in diesen Zeiten eine etwas andere, aber ebenso unvergessliche Hochzeit feiern wollen.
Am Ende gab es den Segen für das Brautpaar und für die Gäste der Hochzeit. Und das Gefühl, im Schatten der Kirche Worte aus der Bibel zu hören, die allen wichtig sind?– gerade in dieser Zeit. Denn am Ende bleiben: Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei. Aber die Liebe ist die größte unter ihnen.
von Tanja Piepho und Dr.?Matthias Schlicht
Artikel teilen: